Bildung ist ein wertvolles und erstrebenswertes Gut
 
Studen*innen für einen Tag

Studen*innen für einen Tag

Zwischen Polizei, Edeka und Mensa, eingerahmt von stählernen und gläsernen Riesen, verbirgt sich ein Refugium des Wissens: Die Universitätsbibliothek für den Fachbereich Geschichte. Ein Ort, an dem gelesen, studiert, geforscht, recherchiert, aber auch sich begegnet und ausgetauscht wird. Das Wohnzimmer eines jeden Geschichtsstudenten.

Und dieses betritt auch das Geschichtsprofil der 12. Klassen, um in den Alltag von Student*innen reinzuschnuppern und die Komfortzone Schule für einen Tag hinter sich zu lassen.

Das Ziel: Recherchieren wie die Profis, um die anstehenden Facharbeiten auf Basis qualitativer Literatur und wissenschaftlicher Kriterien zu verfassen.

Und so glühten nach einer kurzen Einführung durch den Fachreferenten und Diplom-Bibliothekar Jan Wiebers nicht nur die Tasten. So manche*r stellte fest, dass die Suche nach passender Literatur bei ca. 300.000 Werken gar nicht so einfach ist und die meterlangen Regale beinahe wie ein Bermuda-Dreieck fungieren, aus dem man nicht mehr entkommt. Und trotzdem wurden die meisten Schüler*innen der 12 III fündig: Magisterarbeiten über die Völkerschauen im Tierpark Hagenbeck dicke Monografien zur Hamburger Justiz während des Nationalsozialismus, Sammelbände über die Verfolgung Homosexueller in der NS- und Nachkriegszeit … – für fast alle war etwas dabei. Und sei es nur die Erkenntnis, dass ein Tag und eine Bibliothek nicht ausreichen.

Sie werden also wiederkommen, die Historiker*innen der 12 III, um, ganz wie echte Student*innen, in dem hellen, wissensschweren Saal zu sitzen und Universitätsluft zu schnuppern.

 

Betonmauern höherer Bildung

Die tristen, grauen Betonmauern des sogenannten WiWi-Bunkers – der Name scheint Programm zu sein – umschließen die durchnässten Oberstufenschüler*innen bedrohlich und erwecken nicht gerade dein Eindruck freier, elitär-universitärer Bildungshorizonte. Auch der schmale, gelbgestrichene Aufgang mit halbabgerissenen Werbeplakaten, der sie zur Bibliothek der Wirtschafts- und Sozialwissenschaft führt, erzeugt bei den wissbegierigen jungen Schüler*innen zunächst kaum Vorfreude auf ein Studium an der Universität.

 

Doch dann betritt der Oberstufenkurs eine neue Welt: lichtdurchflutete Säle, rechts und links von Computerarbeitsplätzen flankiert und unterbrochen von schier endloslangen Bücher- und Zeitschriftenreihen. Dass das ökonomische Kapitel insbesondere bei den Wirtschaftswissenschaftlern zu finden ist, lässt sich an der zweitgrößten Fachbibliothek der Universität Hamburg direkt beobachten. Neben verglasten Gruppenräumen mit dem Digitalen Tafeln zur Probe von Referaten und Präsentationen, finden sich hier auch moderne Scangeräte, die die traditionellen Kopierer bereits nahezu verdrängt haben. 

 

Auch der Schulungsraum, indem die zukünftigen Student*innen platznehmen, verfügt selbstverständlich für jeden über einen internetfähigen PC, an dem die Teilnehmer*innen Recherchestrategien im ‚KatalogPlus‘ anhand des Ausdrucks ‚Makroökonomie‘ erproben. Mit Engelsgeduld und gezielter didaktischer Reduktion werden die Schüler*innen behutsam und reflektiert in die komplexe Welt der Literaturrecherche eingeführt. Sie erhalten Anregungen zum Umgang mit dem Thesaurus und entwickeln zaghaft erste Schlüsselbegriffsideen für ihre Facharbeiten. Ihre anfänglichen Gehversuche auf dem akademischen Parkett werden kompetent und wertschätzend vom Fachpersonal begleitet – bis hin zum physischen Rundgang durch das Bücherlabyrinth. Auch die Abschlussrallye entspricht ganz dem avantgardistischen Habitus zukünftiger Wirtschaftsweisen, wenn die Aufgaben auf einem extra dafür bereitgestellten iPad direkt eingegeben und ausgewertet werden. Schick, schick!

 

Die Generation Z darf aber auch hier sogleich den Wertigkeitskontrast der Fachbereiche erleben. Im Stechschritt geht es eilig quer über den Campus zur sog. Martha-Muchow-Bibliothek – der Bibliothek für Pädagog*innen, Psychologi*innen und Bewegungswissenschaftler*innen. Die darbenden Schüler*innen müssen aus Zeitgründen sogar auf ihr wohlverdientes Pausenbrot verzichten und stattdessen flugs an Bauschutt und Abrissbirnen vorbei zur Binderstraße 40 hasten. Anders als der gläserne Palast der Ökonomen, betreten die Schüler*innen nun ein abgedunkeltes, barackenähnliches Gebäude. Die Personaldecke der erziehungswissenschaftlichen Fakultät erlaubt nicht die großzügigen Öffnungszeiten der WiSo-Bibliothek. Die Martha-Muchow-Bibliothek ist geschlossen und wird eigens für den Besuch der Fischbeker*innen geöffnet. Auch der reizarme Einführungsraum, der selbstredend nicht über einen PC-Zugang für die Schüler*innen verfügt, sondern lediglich eine Projektionsfläche für einen Frontalvortrag anbietet, versinnbildlicht die finanziellen Differenzen der Fachbereiche. Was an ökonomischem Kapital fehlt, wird indes durch emotionale Wärme und ein individualisiertes Bildungsangebot kompensiert – auch dieser Einblick in die Welt der universitären Bildung wird mit Übungsaufgaben abgeschlossen. Und – kaum überraschend – hier natürlich ganz klassisch mit Papier und Bleistift.