Die Perspektive auf den Kopf stellen, die Welt mit anderen Augen sehen, die Tricks unseres visuellen Wahrnehmungsapparates ‚durchschauen‘ und die Welt optisch wie unter dem Brennglas verkleinern und vergrößern, also Bildung als Weltaneignung zu erleben, ermöglicht den Psychologieschüler*innen der Thementag im interaktiven ‚Museum der Illusion‘, das wenige Gehminuten vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt, unscheinbar aus der Ecke Lilienstraße hervorlugt. Bereits im Eingangsbereich des kleinen Kultmuseums verheißt lebhaft-lautes Lachen aus den verwinkelten Innengängen einen erwartungswidrigen Bruch mit konventionell-biederen Museumserfahrungen.
Nach einer intensiven – und viel zu textlastigen – kognitiven Auseinandersetzung mit der Wahrnehmungsorganisation und Wahrnehmungstäuschungen sowie sozialpsychologischen Begleiterscheinungen unserer begrenzten Wahrnehmungskapazität wie Attributionsfehlern und Stereotypisierungen im Psychologieunterricht, bietet jetzt jedes Ausstellungsstück dieses magischen Unterhaltungslabors optische Herausforderungen für fesselnde Selbstexperimente.
Im sog. Ames Raum und im ‚umgedrehten Raum‘ – in dem die Welt wortwörtlich auf dem Kopf steht – können sich Oberstufenschüler*innen selbst als Teil täuschender Rauminstallationen erleben und natürlich jugendkonform mittels Smartphone ablichten. Durch die ‚Stuhlillusion‘ schrumpft die begleitende Lehrerin endlich auch mal auf ihre optimale Zwergengröße zusammen und die Schüler*innen erhalten egokonform ihre riesenhafte Dimension. Die Schüler*innen erfassen, dass dabei die Stuhlteile in einer geschickten Raumkonstruktion so angeordnet sind, dass sie aus einer gezielten Beobachterperspektive als ein zusammenhängendes Objekt erscheinen.
Die raffiniert inszenierten ‚Spieglein, Spieglein an den Wänden‘ zeigen uns unsere wahren Gesichter und verwandeln uns in ‚multiple Persönlichkeiten‘, so dass eine Pokerrunde im Solo-Team am ‚Klon-Tisch‘ ermöglicht wird. Eine Spiegelkonstruktion erlaubt außerdem ein kannibalisches Kopffrühstück auf dem ‚Servierteller‘ in gemeinschaftlicher Kursrunde. Auch das abstrakte Wort ‚Unendlichkeit‘ bleibt keine schulische Kopfgeburt, sondern wird durch die Spiegelreflexe des ‚endlosen Brunnens‘ zur sprunghaften Wirklichkeit, bei der wir vermeintlich die Schwerkraft überwinden. Das Durchqueren des sog. Vortext-Tunnel erinnert uns einerseits an den Besuch einer Mini-Disco mit Lightshow und andererseits an Spukattraktionen aus einem Vergnügungspark. Der blendende Tunnel bringt unsere kinästhetische Wahrnehmung ins Wanken: auf einem scheinbar schwingenden Steg balancieren wir durch einen grellen Gang, an dessen Wänden rotierende Lichter verlaufen, die uns den Boden unter den Füßen entziehen und einigen Schüler*innen leichte Übelkeit bescheren.
Die lebhafte Dynamik der sensorischen Erfahrungen entschädigt die Oberstufenschüler*innen (hoffentlich) dafür, dass sie beim Berühren, Forschen und Fotografieren nebenbei auch noch dem schulischen Bildungsauftrag anhand von Stationen-Aufgaben nachkommen müssen und diese anschließend in geselliger Kaffeerunde ausgewertet werden.
Wenn der Psychologieunterricht selbst noch nicht zur Einsicht geführt haben sollte, dass unsere Wahrnehmung eine Konstruktion ist, dann glaubt spätestens nach diesen sinnlichen und wahrnehmungsintensiven Erlebnissen ganz sicher kein/e Psychologieschüler*in mehr daran, dass wir unseren eigenen Augen trauen können – oder sollten.