Bildung ist ein wertvolles und erstrebenswertes Gut
 
Selbstbestimmt

Selbstbestimmt

Begleitung von Menschen mit seelischen und psychischen Problemen.

Das weiträumige Stiftungsgelände im Randgebiet von Lüneburg belebt mit seinem Hof-Laden und dem Hof-Café nostalgische Bauernhofbilder. Dennoch spüren die Oberstufenschülerinnen aus dem Psychologieprofil, dass hier die Uhren ein klein wenig anders ticken als im hektischen Alltagsleben.

Die Johann und Erika Loewe-Stiftung in Ochtmissen unterstützt psychisch erkrankte Menschen sensibel dabei, Krisen zu überwinden und in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden.

 

Die stellvertretende Wohnbereichsleitung, Christina Schulz, begrüßt die noch schüchternen Oberstufenschülerinnen herzlich in den Räumen der sog. Tagesstruktur und informiert lebhaft und mit eindrücklichen Bildimpressionen über das Leitbild der Einrichtung – Hilfe zur Selbsthilfe – und die Zielgruppe. Dabei bilden junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren mit Erkrankungen aus dem vielschichtigen Spektrum psychotischer Störungen die größte Gruppe der Klient*innen. Sie leben vorübergehend in familienähnlichen Wohngemeinschaften zusammen in fünf modern renovierten Bauernhäuschen, die entsprechend auch liebevoll ‚Das Bauernhaus‘, ‚Das Pastorenhaus‘, ‚Der Neubau‘ und ‚Das Schlösschen‘ genannt werden. Der kommentierte Rundgang über das weitläufige Gelände wird immer wieder von kurzen Interaktionen, Begrüßungen und vielfältigen Gesprächen mit Mitarbeiter*innen des interdisziplinären Teams aus Sozialpädagog*innen, medizinischem, hauswirtschaftlichen und technischem Personal, aber auch jungen FSJ-ler*innen oder Student*innen der Sozialen Arbeit sowie freundlichen Kontakten zu den Klient*innen belebt. Besonders beeindruckend ist die kleine Tischlereiwerkstatt, die u. a. für die Leuphana Universität Stühle und Material produziert. Wer hier arbeiten kann, hat die Schwelle zurück ins Berufsleben mit feststehenden Sieben-Stunden-Arbeitstagen nahezu überwunden. Der etwas ausgiebigere ‚Spaziergang‘ zur eigenen Biolandwirtschaft bleibt den Schülerinnen erspart, was sie dankend annehmen und stattdessen das multiplexe Ensemble aus Handwerk (Tischlerei, Malerei, Hofbäckerei), Anbau und Verkauf (Hofladen, Biolandwirtschaft, Hofcafé) und Verpflegung (Kitaverpflegung, Schulmensen, Catering) mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen.   

 

Die Schülerinnen haben aber v. a. die Gelegenheit, den Bereich der Tagesstruktur zu begleiten, weil die Klient*innen hier ihre Beteiligung eigenverantwortlicher und in Abhängigkeit von ihrer aktuellen Befindlichkeit gestalten können und so ihr Nähe-Distanz-Bedürfnis zu den fremden jungen Damen besser regulieren können. Es wird sichtbar, dass die zurückhaltende Vorsicht der Schülerinnen von den Klienten sensibel wahrgenommen wird, sie aber trotzdem von sich aus bemüht sind, die Besucherinnen in ihre kleine Lebenswelt einzuführen. Beim ‚Skipo-Spielen‘ werden erste zaghafte Dialoge angebahnt, aber erst bei den Freispielen im ausgedehnten Garten wie den ‚Golfleiterwurf‘ und ‚Monki‘ wird das, was im Pädagogik- und Psychologieunterricht so abstrakt als ‚Beziehungsarbeit‘ bezeichnet wird, für die Schüler*innen erstmals wirklich spür- und erlebbar. Während sie kognitiv die Notwendigkeit der Begleitung bei alltagspraktischen Fähigkeiten wie geregelten Aufstehzeiten, Behördenangelegenheiten und Einkaufen natürlich erfassen, nehmen sie hierbei auch emotional wahr, dass die spielerische Freizeitgestaltung den Grundstein für eine gelingende sozialpädagogisch-therapeutische Arbeit wie Skill- und Achtsamkeitstrainings sowie eine persönliche und – unter Umständen angstbesetzte – Zukunftsplanung außerhalb dieses geschützten Raumes der durchdacht entwickelten und professionell arbeitenden Einrichtung legt.                     

Hannah Denker